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17. Stiftungsrechtstag

Stiftungsrechtstag

Nachbetrachtung
17. Stiftungsrechtstag "Stiftung und Krise"
24. Februar 2023, von 9.00 - 17.00 Uhr (als Hybrid-Veranstaltung)

Tagungsmaterialien

 

  • Die Tagungsmaterialien zum 17. Stiftungsrechtstag finden Sie unter diesem Link (Copyright liegt bei dem jeweiligen Referenten)
  • Die Programmübersicht finden Sie in diesem Flyer
Weitere Beiträge über unseren Stiftungsrechtstag

Stiftungsmarktplatz.eu von Tobias Karow

Zu den einzelnen Vorträgen

Prof. em. Dr. Michael Borgolte von der Humboldt-Universität zu Berlin erläuterte im interdisziplinären Eröffnungsvortrag aus einem historischen Blickwinkel „Konjunkturen, Kritik und Krisen – Stiftungen in der Geschichte“. Dabei ging der Referent im Anschluss an einige Ausführungen zur Semantik der Begrifflichkeiten, insbesondere des Begriffs der Krise, ausführlich auf geschichtliche Umbrüche ein, die Widerstände oder Änderungen im Stiftungswesen hervorbringen konnten. Borgolte beleuchtete zunächst die Stiftung aus universalhistorischer Sicht, wobei er feststellte, dass Stiftungen offenkundig weit verbreitet waren und schon in vielen Kulturen der Alten Welt begegnen. Borgolte legte dar, dass dazu gerade auch Krisen in Form der Auflösung traditioneller Lebensgemeinschaften von mehreren Generationen im Zeichen eines Gegensatzes von Stadt und Land in Großreichen beigetragen hätten. Weiterhin führte er aus, dass Stiftungen trotz ihres Anspruches auf ungestörten, dauernden Bestand dem historischen Wandel unterworfen waren, wobei sie sowohl Konjunkturen der breiten Förderung genossen als auch Opfer von politischen Umbrüchen mit oder ohne Gewaltanwendung wurden. Eine Verdrängung auf Dauer sei dabei aber in keiner zeitgeschichtlichen Epoche gelungen. Am Ende seines Vortrags fasste Borgolte die wichtigsten Erkenntnisse hinsichtlich der von Konjunkturen, Kritik und Krisen geprägten, wechselvollen Geschichte des Stiftungswesens zusammen.

„(Unternehmens-)Stiftungen krisensicher gestalten aus zivilrechtlicher Sicht“ lautete das Thema des Langvortrags von Dr. Tobias Hueck, Rechtsanwalt und Assoziierter Partner bei Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB. Zunächst leitete er in das Thema mit einigen Anmerkungen speziell zum Begriff der Unternehmensstiftung ein und stellte mögliche Stiftermotive für ihre Errichtung dar, zu denen etwa die langfristige Erhaltung eines Unternehmens gehören kann. Im Anschluss skizzierte Hueck drei Grundsätze zur Krisenprävention und Krisenbewältigung, wobei er zwischen verschiedenen Krisenszenarien differenzierte, deren Lösungsmöglichkeiten er im Anschluss detailliert darlegte. In der Entstehungskrise stehe die rechtssichere Gestaltung der Stiftungserrichtung im Fokus. Dazu gehörten laut Hueck etwa möglichst präzise Vorgaben zur Stiftungsstruktur, einschließlich der satzungsmäßigen Einrichtung eines Überwachungsorgans. Als weiteres Krisenszenario rückte er die Krise im Unternehmen in den Fokus. Ein diesbezüglicher Grundsatz zur Krisenprävention sei in der Gestaltung des Einflusses der Stiftung auf das Unternehmen zum Wohle von Unternehmen und Stiftung zu sehen, so Hueck. In dem Zusammenhang ging er auch auf die Doppelstiftung und die Gestaltung der Gesellschafterstruktur und der Gesellschafterrechte ein. Schließlich beleuchtete der Referent als drittes Anknüpfungsmoment eines Krisenszenarios die Krise in der Stiftung. Abhilfe könne hier vor allem die Sicherung der Handlungs- und Anpassungsfähigkeit der Stiftung bei veränderten Verhältnissen sorgen. In dem Zusammenhang seien insbesondere vermögensrechtliche Vorgaben und mögliche Sonderrechte für den Stifter und seine Familie in den Blick zu nehmen.

Im Anschluss beleuchtete Judith Mehren, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht sowie Partnerin bei Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Partnerschaft mbB, die krisensichere Gestaltung von (Unternehmens-)Stiftungen aus steuerrechtlicher Sicht. Zunächst gab die Referentin einen Überblick über den Begriff und die Erscheinungsformen der (Unternehmens-)Stiftung. Danach ging Mehren auf die Gestaltung bei Errichtung der Stiftung ein und machte in diesem Kontext Anmerkungen zur Planung der Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerbelastung, speziell auch bei einer von Todes wegen errichteten Stiftung. Sie nahm zudem die Planung der zukünftigen Ertragsteuerbelastung in de Blick. Im Anschluss widmete sich Mehren für Krisen der Stiftung möglichen Vorsorgeinstrumentarien. Sie beleuchtete den Bereich der Tax Compliance mit dem immanenten Ziel der Vermeidung steuerlicher Risiken durch Verstöße gegen Steuergesetze auf Ebene der Stiftung, benannte Risiken und gab Handlungsempfehlungen. Ebenfalls thematisiert wurde die Bildung von Rücklagen vor dem Hintergrund gemeinnützigkeitsrechtlicher Beschränkungen sowie Rückstellungen für Erbschaft-, Schenkung- und Erbersatzsteuer. Im Anschluss beleuchtete Mehren Vorsorgemöglichkeiten auf Ebene des Beteiligungsunternehmens für Krisen des Beteiligungsunternehmens. Zum Schluss ging die Referentin auf die Frage ein, ob für eine diesbezügliche Krise eine Unterstützung finanzieller Art durch die Stiftung vor dem Hintergrund der gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben unschädlich ist.

Nach der Mittagspause besprach Alexa Große-Heidermann von der Bezirksregierung Münster „Aktuelle Probleme aus Sicht der Stiftungsaufsicht“. Im Anschluss an einen kurzen Überblick über die rechtlichen Grundlagen der Stiftungsaufsicht im Stiftungsgesetz NRW (StiftG NRW), einschließlich der daraus abgeleiteten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Subsidiarität aufsichtlichen Einschreitens, präsentierte Große-Heidermann einen Fall aus der aufsichtlichen Praxis, der die Bestellung einer amtlichen Betreuung zum Thema hatte. Zunächst skizzierte sie den Sachverhalt, der von der Errichtung einer sog. Anstiftung als Testamentserbin durch den als Stiftungsvorstand eingesetzten Stifter sowie im Zusammenhang mit einer Demenzerkrankung des Stifters stehende, gerichtliche Bestellungsbeschlüsse, ua für die Bestellung eines Betreuers in Vermögensangelegenheiten, geprägt war. Große-Heidermann legte dar, dass die Stiftungsaufsicht diesbezüglich der Frage nachzugehen hatte, ob, wann und wie sie einschreiten musste und welche Auswirkung die Bestellung eines Betreuers in Vermögensangelegenheiten auf den Vorstand hatte. Sie beleuchtete ausführlich die diesbezüglichen Überlegungen der Stiftungsbehörde für ein präventives oder repressives Vorgehen und verknüpfte dies mit den rechtlichen Grundlagen im StiftG NRW. Im Ergebnis habe sich die Stiftungsaufsicht gegen ein repressives Einschreiten entschieden und stattdessen geprüft, ob ein präventives Einschreiten auf Grundlage der Generalklausel in § 6 Abs. 2 StiftG NRW möglich war.

Danach widmete sich Vorsitzender Richter am VG a.D. RA Prof. Dr. Bernd Andrick anhand fünf ausgewählter Entscheidungen der „Aktuellen Rechtsprechung im Stiftungsrecht“. Zunächst ging er auf ein Urteil des BVerwG ein (Urt. v. 24.3.2021 – 6 C 4.20), in dem dieses sich im Zuge der Anerkennung einer Stiftung mit der Gemeinwohlgefährdung des Stiftungszwecks auseinanderzusetzen hatte. Das BVerwG habe hervorgehoben, dass im Zuge der Anerkennungsentscheidung nicht nur zu prüfen ist, ob der in der Stiftungssatzung formulierte Stiftungszweck gegen ein Gesetz verstößt, sondern auch, ob bei der Verwirklichung des Stiftungszwecks die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutbeeinträchtigung besteht, wobei für die rechtliche Betrachtung, ob eine Gemeinwohlgefährdung vorliegt, nicht nur der im Stiftungsgeschäft niedergelegte Stifterwille heranzuziehen, sondern auch auf begleitende Umstände abzustellen sei. Ebenfalls vorgestellt wurden ein Beschluss des OVG Mecklenburg-Vorpommern (Beschl. v. 24.5.2022 – 1 M 513/21 OVG)  zur Anfechtung der Anerkennung einer Stiftung durch Dritte sowie ein Urteil des OLG Hamm (Urt. v. 3.2.2022 – 27 U 15/21), in dem dieses sich mit dem Bestehen eines Klagerechts des Stifters auf Einhaltung seines Stifterwillens beschäftigte. Andrick präsentierte anschließend ein Urteil des VGH Mannheim (Urt. v. 21.6.2022 – 1 S 1865/20), das sich inhaltlich mit der Frage auseinandersetzte, ob es ein Notklagerecht für Stiftungsinteressierte geben kann und ob das im Gesellschaftsrecht beheimatete Rechtsinstitut der actio pro socio auch im Stiftungsrecht Geltung beansprucht. Eine weitere Entscheidung betraf den Rechtscharakter der Vertretungsbescheinigung und damit verbunden den Prüfungsumfang der Stiftungsbehörde (OVG Lüneburg Beschl. v. 29.6.2021 – 8 ME 135/20). Abschließend erfolgte, unter Heranziehung bereits ergangener Judikate, eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit eine Stiftung deshalb auf Grundlage der Informationsgesetze des Bundes und der Länder zur Auskunft verpflichtet sein kann, weil es sich bei ihr rechtlich um eine „Behörde“ handelt.

Abschließend gab Prof. Dr. Roman Seer, seit 1996 Inhaber des Bochumer Lehrstuhls für Steuerrecht und seit 2009 Direktor des Bochumer Instituts für Steuerrecht und Steuervollzug, einen Überblick über „Aktuelle Entwicklungen im Gemeinnützigkeitsrecht“. Im Anschluss an die Darstellung einiger finanzgerichtlicher Urteile zur fehlenden Gemeinnützigkeit bei Förderung abgeschlossener Personenkreise ging Seer auf die Voraussetzungen formeller Satzungsmäßigkeit gem. §§ 59, 60 AO, insbesondere die ausdrückliche Verankerung des Grundsatzes der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO), ein. Es folgten, ebenfalls unter Darstellung finanzgerichtlicher Rechtsprechung, Ausführungen zur Angemessenheitsprüfung etwa bei der Gewährung von Vorstands- oder Geschäftsführerbezügen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO), zur Abgrenzung von Spende (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) und verdeckter Einlage (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG) sowie zum Kooperationsprivileg aus § 57 Abs. 3 AO. Seer ging zudem auf die Erleichterung des Unmittelbarkeitserfordernisses bei Holding-Körperschaften nach § 57 Abs. 4 AO ein und machte Ausführungen zum Zusammenwirken von Kooperations- und Holdingprivileg (§ 57 Abs. 3, 4 AO). Im Anschluss thematisierte der Referent Erleichterungen bei der Mittelverwendung nach § 58 Nr. 1 AO durch die Einschränkung des Ausschließlichkeitsmerkmals des § 56 AO und den Vertrauensschutz gem. § 58a AO bei Mittelweitergaben.

Veranstalter

  • Fundare e.V., Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Stiftungswesens vertreten durch den Vorstand Vors. Richter am VG a.D. RA Prof. Dr. Bernd Andrick, RA Dr. Matthias Gantenbrink, RA & Notar Axel Janitzki, Prof. Dr. Karlheinz Muscheler, RA & Notar Dr. Markus Schewe, RA Dr. Sebastian Trappe, Prof. Dr. Katharina Uffmann, Prof. Dr. Sebastian Unger
  • in Kooperation mit den Lehrstühlen von Prof. Dr. Katharina Uffmann und Prof. Dr. Sebastian Unger